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Genetik

Es existieren einige, sehr selten auftretende hereditäre Tumorsyndrome. Dazu gehören z.B. das Li- Fraumeni- Syndrom, das Beckwith- Wiedemann- Syndrom oder die Hereditäre- Kongenitale- Hyperplasie, die mit Tumoren der Nebennierenrinde einhergehen können, sowie die mit Tumoren des Nebennierenmarkes assoziierten Syndrome Multiple- Endokrine- Neoplasie, Neurofibromatose und das Von- Hippel- Lindau- Syndrom.

Hereditäre, mit Nebennierentumoren assoziierte Syndrome

1. Li-Fraumeni-Syndrom

Aufgrund einer Mutation im p53- Gen auf Chromosom 17 (17p13) haben Patienten mit einem Li-Fraumeni-Syndrom bereits vor dem 30. Lebensjahr eine Prädisposition für verschiedenste Tumoren, vor allem Mammakarzinome, Hirntumoren, Lungenkarzinome, maligne Weichteiltumoren oder auch Leukämien. In einem Prozent aller Patienten mit einem Li-Fraumeni-Syndrom kommt es zum Auftreten von Nebennierenkarzinomen. Die Erkrankung wird autosomal- dominant vererbt. Das bei dieser Erkrankung betroffene Tumorsuppressorgen p53 hat eine wichtige Funktion in der Regulation des Zellzyklus. Es wird als "Genomwächterprotein" bezeichnet, da es bei Schädigung des Genmaterials einer Zelle deren Zellzyklus blockiert, bis der Schaden behoben ist, oder, wenn die Reparatur nicht mehr möglich ist, die Zelle in Apoptose schickt. p53 steht dabei in Interaktion mit Genen wie dem Mdm2, dem p21 und mit DNA-Reparatur- und Apoptosegenen. Bei verminderter Funktion des p53- Suppressorgens besteht die Gefahr einer Tumorentstehung und -progression.

2. Beckwith-Wiedemann-Syndrom

Ebenfalls ein gehäuftes Vorkommen von Nebennierenkarzinomen findet man beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom. Das autosomal- dominant vererbte Syndrom setzt sich zusammen aus den Symptomen Makroglossie, Gigantismus, Bauchwanddefekten, Hepatoblastomen, Wilms- Tumoren, Rhabdomyosarkomen und eben Nebennierenkarzinomen. Als Ursache konnten Mutationen auf dem Chromosomenarm 11p15 gefunden werden.

3. Kongenitale-Adrenale-Hyperplasie

Eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung ist die Kongenitale-Adrenale- Hyperplasie. Durch eine Mutation in einem Gen in der Region 6p21.3, welches für das Enzym 21-Hydroxalase kodiert, kommt es zu einer verminderten Sekretion von Kortisol, was eine konsekutive Erhöhung des ACTH- Spiegels zur Folge hat. Dies kann wiederum mit der Ausbildung ein- oder beidseitiger Nebennierenhyperplasien einhergehen.

4. Multiple Endokrine Neoplasien

Weiterhin bekannt sind hereditäre Erkrankungen, die mit einer hormonellen Nebennierenüberfunktion assoziiert sind, welche sekundär zur Vergrößerung der Nebennieren führen kann. Zu diesen Erkrankungen gehört z.B. das MEN-1- Syndrom, hier konnte ein Defekt in der Region eines Tumorsuppressorgens auf Chromosom 11 (11q13) gefunden werden. Beim MEN 2 ist eine Keimbahnmutation im RET- Protoonkogen in der chromosomalen Region 10q11 nachzuweisen, die zu einer Aktivierung eines Tyrosinkinaserezeptors führt. Es handelt sich um einen autosomal- dominanten Vererbungsmechanismus. Die MEN- 2- Phäochromozytome sind meist bilateral angelegt und gehen aus einer medullären Hyperplasie hervor. Das MEN- 2-Syndrom setzt sich zusammen aus synchron oder metachron auftretenden Phäochromozytomen, einem primären Hyperparathyreoidismus und dem medullären Schilddrüsenkarzinom.

5. Von-Hippel-Lindau-Syndrom

Beim VHL- Syndrom kommt es zu Ausbildung verschiedener Tumoren wie dem Nierenzellkarzinom, Hämangioblastomen des zentralen Nervensystems, Nieren-, Pankreas- oder Nebenhodenzysten und Phäochromozytomen. Als Ursache konnte eine Mutation auf Chromosom 3 (3p25/26) gefunden werden. Etwa 36% der Patienten mit dieser Alteration und VHL- Syndrom bilden ein Phäochromozytom aus. Obwohl auch gelegentlich über sporadische medulläre Hyperplasien berichtet wurde, ist der Nachweis einer bilateralen medullären Hyperplasie in den meisten Fällen mit einer MEN- 2 oder mit einem VHL- Syndrom verbunden.

6. Neurofibromatose Typ1

Bei der Neurofibromatose vom Typ 1 treten selten Phäochromozytome auf (nur ca. 2% aller NF-1 Patienten), daneben findet man Neurofibrome, charakteristische café- au- lait- Flecken und ZNS- Tumoren. Bekannt sind bei dieser Erkrankung auch zusammengesetzte Phäochromozytome, welche neben dem Phäochromozytomanteil als zweite Komponente ein Neuroblastom, ein Ganglioneuroblastom, ein Ganglioneurom oder einen Anteil eines malignen peripheren Nervenscheidentumors (MPNST) enthalten. Gefunden wurde hier eine Mutation im NF1- Gen in der chromosomalen Region 17q11.2 , welches für das Protein Neurofibromin kodiert. Aufgrund der gut erforschten Keimbahnmutationen ist es heutzutage möglich, bei Verdacht auf eine hereditäre Erkrankung diese mit einer genetischen Diagnostik nachzuweisen und die betroffenen Familien zu beraten und zu behandeln.

7. Nebennierenkarzinom

Aufgrund der geringen Inzidenz insbesondere der Nebennierenkarzinome liegen zu diesem Thema wenige Arbeiten mit meist geringen Fallzahlen vor. Es konnten verschiedene genetische Alterationen sowohl für Nebennierenrinden- als auch Nebennierenmarktumoren nachgewiesen werden. Es ist bisher allerdings nicht möglich, sie in einen Zusammenhang hinsichtlich der Tumorgenese und Tumorprogression zu bringen. Bisher konnten auch keine diagnostischen molekulargenetischen Marker gefunden werden, welche Aussagen zur Dignität eines Nebennierentumors erlauben. Analysen bezüglich der Klonalität der Nebennierentumoren ergaben, dass Nebennierenkarzinome eher monoklonal, die gutartigen Befunde eher polyklonal sind. Allerdings liegen hierzu sehr wenige Daten vor, eine Differenzierung der Dignität über die Klonalität der Tumore ist sicher nicht möglich. Genetische Veränderungen, wie sie bei den hereditären Syndromen anzutreffen sind, könnten natürlich auch in die Genese sporadischer Nebennierenrindentumoren involviert sein. Aus diesem Grund wurden Nebennierenrindentumoren nach Alterationen der bekannten Gene für p53, IGF- 2, p57/KIP2, RAS und andere untersucht. Für die in der Tumorentstehung häufig betroffene Genregion des p53 auf Chromosom 17 (17p13) zeigten Untersuchungen in 20 bzw. 27 % der Karzinome eine genetische Alteration. Von einigen Autoren konnte ein Verlust der Heterozygotie (LOH) auf Chromosomarm 17p in bis zu 80% der Nebennierenrindenkarzinome nachgewiesen werden Dies lässt die Vermutung zu, dass auch andere auf 17p lokalisierte Tumorsuppressorgene eine Rolle in der Tumorgenese der Nebennierenkarzinome spielen. Beispielhaft wären hier HIC- 1, CRK oder ABR zu nennen. Eine paternale Isodisomie auf Chromosom 11 (11p15.5) mit Überexpression von IGF- 2 konnte bei sporadischen Karzinomen der Nebennierenrinde nachgewiesen werden, man geht davon aus, dass es sich um einen entscheidenden Tumorprogressionsfaktor handelt. Des weiteren ließ sich für die Karzinome eine verminderte Expression von p57/KIP2 in der Region 11p15 erkennen. Kein vermehrtes Auftreten einer Alterration bei sporadischen Nebennierenrindentumoren fand sich für den Genlocus des MEN- 1- Genes auf Chromosom 11 (11q13), sodass diese Region in der Pathogenese der sporadischen Tumoren wahrscheinlich keine Rolle spielt.

8. Phäochromozytom

Bei der Entstehung der Phäochromozytome fand man überwiegend Verluste genetischen Materials. Besonders die Chromosomenarme 1p, 3q, 3p, 11p, 17p, 22q waren sehr häufig von Verlusten betroffen. Es ist bisher unklar, wie diese Alterationen in die Prozesse der Tumorinitiation und Tumorprogression der Phäochromozytome involviert sind. Es wird vermutet, dass spezifische chromosomale Alterationen wie Verluste auf den Chromosomenarmen 1p, 3q, 6q und 17p sowie Zugewinne auf 9q und 17q in der Entwicklung der Phäochromozytome eine Rolle spielen. Der Verlust von Tumorsuppressorgenen auf 1p und 3q scheinen dabei frühe Ereignisse der Tumorgenese zu sein, der Verlust genetischen Materials auf den Chromosomenarmen 6q und 17p geht mit einer Progression zur Malignität einher. Es gibt allerdings noch keine Marker, die eine sichere Charakterisierung der Dignität von Phäochromozytomen erlauben. Verluste genetischen Materials auf Chromosomarm 1p traten in 80% aller sporadischen und MEN- 2 assoziierten Phäochromozytome auf, bei VHL assoziierten- dagegen nur in 15%, sodass man mindestens zwei unterschiedliche Wege der Tumorgenese vermutet Nur bei einem kleinen Teil sporadischer Phäochromozytome fand man Mutationen in den für hereditäre Syndrome bekannten Genloci. Dies suggeriert, dass diese Gene keine entscheidende Rolle in der Tumorgenese der sporadischen Phäochromozytome spielen. Für das p16- Tumorsuppressorgen, das Protoonkogen c- mos, IGF- 2, RAS und andere in der Tumorentstehung typische Genloci konnten für die sporadischen Nebennierenmarktumoren keine Mutationen gehäuft nachgewiesen werden, auch eine vermehrte Telomeraseaktivität war nicht erkennbar. Verluste der Heterozygotie fand man für die Chromosomenarme 1p, 3p, 11p, 17p und 22p, allerdings wurden meist sehr kleine Serie.


 
Prof. Dr. D.K. Bartsch
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